Traditionelle orientalische Musiktherapie

Traditional oriental
Musictherapy

makam
Hasim Mecmuasi Bey

Als Jugendlicher hatte ich einen Traum, wo ich in der Ferne eine besondere Musik hörte. Ich folgte dieser Musik und schliesslich erreichte ich sie auch: Ich sah Menschen die tanzten und musizierten und diese besondere Musik spielten, welche später die Grundlage meiner eigenen Musik wurde.

Oruç Güvenç 

 

In den 70 Jahren des letzten Jahrhunderts begann Dr. Oruç Güvenç das System der orientaischen Musiktherapie historisch zu erforschen und in der Praxis zu erproben. In seiner Dissertation 1985 legt er eine Untersuchung vor über die Musiktherapie in den Spitälern des Orients. Dr. Güvenç gründete das „Center for Research and Application of Turkish Music” an der Cerrahpaşa Universität und begann die orientalische Musiktherapie in Ost und West zu etablieren.

Die orientalische Musiktherapie hat eine tausendjährige Geschichte und wurde von Dr. Rahmi Oruç Güvenç auf der Basis von traditionellem Wissen, historischen Quellen und der Fähigkeit intuitiver Erkenntnis zu neuem Leben erweckt. Heute ist sie ein etabliertes System, welches europaweite Verbreitung und Anerkennung gefunden hat.

Die orientalische Musiktherapie gliedert sich primär in eine aktive und passive Form der Musiktherapie.

Die aktive Musiktherapie stellt ein mehrteiliges Bewegungsset dar, welches mit pentatonischer Musik aus Zentralasien begleitet wird. Die Bewegungen des Sets haben ihre Wurzeln in den Derwisch -und Schamanentänzen Zentralasiens.

Die passive Musiktherapie kam vor allem in den Spitälern des Orients seit dem 9 Jahrhundert zur Anwendung. Sie basiert auf dem orientalischen Tonsystem (Makam-System), dem, von den islamischen Ärzten des Mittelalters ein emotionales und körperliches (organspezifisches) Wirkungsspektrum zugesprochen wird. 

 

In der orientalischen Musiktherapie kommen folgende orientalische Instrumente zum Einsatz:      

Ney  

Die Ney ist eine Bambusflöte, die im ganzen Orient verbreitet ist. Sie hat besondere Bedeutung in der Mevlevi Tradition, der   Sufigemeinschaft, welche von Mevlana J. Rumi im 13 Jhdt. gegründet wurde.      

Rebab  

Die Rebab ist eine Kniespiessgeige aus Zentralasien, welche von Mevlana Rumi aus Afghanistan nach Anatolien in die Türkei  gebracht worden ist. Sie besteht aus einer Kokosnuss, welche mit Fisch-oder Schafshaut bespannt ist. Die Spielsaite besteht aus Pferdehaaren. Kein Streichinstrument hat so einen reinen Klang wie die Rebab. Mevlana sagt: „Die Rebab vertreibt Traurigkeit und Depression und ist ein Symbol für die Einheit. “       

Oud  

Die Oud wurde von Al-Farabi entwickelt und ist der Vorläufer der Laute. Sie wird im ganzen Orient zahlreich gespielt und ein  Hadith von Hazreti Mohammed sagt uns: „Wer den Frühling und seine Blumen nicht liebt, und wer den Sema und die Poesie beim Sema   nicht liebt und wer dem Klang der Oud keine Freude entnimmt, dessen Charakter ist verdorben.“          

Mazar (Bendir)  

Die Rahmentrommel, welche im ganzen Orient verbreitet ist. Eine Legende erzählt uns, dass die Geschichte der Instrumente  so angefangen hat, dass man Tierhäute über Holz spannte, als ein Vogel kam etwas aufgepickte und  es unerwartet wieder fallen   ließ machte dies einen rhythmischen Klang am Tierfell und so kam es zum ersten Instrument.       

Dombra  Zweiseitige Langhalslaute. 

Die Dombra ist ein Instrument  der kirgisischen und kasachischen Schamanen und war früher auch  bei den Tataren heimisch. Es ist der Vorfahre der Saz (Balagma), welche ihrerseits der Vorläufer der modernen Gitarre ist.      

Kilkopuz  

Kilkopuz ist ein traditionelles Streichinstrument und ist mit der Dombra das wichtigste Schamaneninstrument in Kasachstan   und Kirgisien. Der Körper des Instrumentes repräsentiert einen Schwan. Der Schwan mit dem man in die andere Welt reisen   kann. Die zwei Stimmwirbel symbolisieren Mond und Sonne. Die Bogenhaare und der Saiten sind aus Pferdehaar. Das   Instrument eignet sich besonders zur Imitation von Tierstimmen.     

Weitere Instrumente sind Rübab (Langhalslaute aus Usbekistan), Ceng ( Harfe aus dem Altai Gebirge), Tanbur   (Langhalslaute aus Zentralasien), Kanun (orientalische Zither und Vorläufer des Klaviers) und Santur (orientalisches Hackbrett).   

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Mensch & Musik

Musik und das Bedürfnis nach künstlerischem Ausdruck waren für den Homo sapiens so wichtig wie Essen, Schlaf und die Fortpflanzung. Für die Arterhaltung und Entwicklung des Menschen (die Weiterentwicklung des Gehirns, die Sprachentwicklung, die Entwicklung der Kommunikation und des sozialen Zusammenhalts) waren der künstlerische Ausdruck so wesentlich, dass man die Anfänge der künstlerischen Gestaltung gleichsetzt mit dem Erscheinen des modernen Menschen.

G. Ilyas Klawatsch

Wir finden weltweit in allen Kulturen die künstlerischen Ausdrucksformen von Tanz und Musik und ihre Verbindung zu den Heiltraditionen. So finden wir Anzeichen, dass der künstlerische Ausdruck allgemein und im speziellen durch das Phänomen der Musik ein dem Mensch-Sein grundgelegtes Bedürfnis ist und mit dem Wesen des Menschen von Anfang an verbunden ist. In vielen Mythen und Schöpfungsmythen unterschiedlichster Völker und Kulturen finden wir oft eine Verbindung zu Klang und Rhythmus. Das älteste bis jetzt gefunden Musikinstrument sind Flöten, welche auf der Schwäbischen Alb in Süddeutschand gefunden wurden und auf 40 000 Jahre datiert werden konnten. Diese Instrumente werden den ersten Hominiden der Eiszeit zugeordnet. Erstaunlicherweise wurden aber symbolische Höhlenmalereien in Spanien gefunden, welche man sogar auf 65 000 Jahre datierte und sich so zeigt, dass schon 20 000 Jahre vor dem Erscheinen des Homo sapiens in Europa symbolische Kunst vom Neandertaler praktiziert worden war. Der Homo sapiens ist mindestens 300.000 Jahre alt, in dieser Zeit hat sich sein Aussehen nur unwesentlich verändert. Die anatomischen Anlagen etwa zum Singen waren demnach vermutlich schon damals vorhanden. Gesang, Tanz und einfache Musikinstrumente (wie zb. die Trommel) waren dem Homo Sapiens wahrscheinlich schon weit länger als 70 000 Jahre bekannt.

Gobustan in Aserbaidschan ist eine der ältesten Residenzen der Menschheit. Der Ort besteht im Wesentlichen aus einem Hügel und einem Berggebiet im Südosten des Kaukasus. Man findet 6.000 Felsgravuren, wo die frühesten vor ca. 12 000 Jahren in den Fels geritzt worden sind. Weiters findet man dort Höhlen, die eine der ersten menschlichen Siedlungen in der Weltgeschichte waren. Die Höhlenwände sind mit Bildern von verschiedenen Aktionen wie Jagen, Tanzenden Menschen und anderen Aspekten des täglichen Lebens bedeckt und mindestens 5000 Jahre alt.

Gobustan (ca. 5000), Maltravieso (ca.64 000), Schwäbische Alb (ca 40 000)

Die Frage die sich uns jetzt aufdrängt: 

Warum begleitet Musik und Tanz den Menschen seit den prähistorischen Anfängen?

Die ersten Menschen der Gattung Homo sapiens verbreiteten sich über die ganze Welt. Sie unterhielten sich primär mit Zeichen- und Gebärdensprache und einzelner Worte und Laute. Je stärker die Besiedlung des Homo sapiens voranschritt, je wichtiger wurden sozialer Zusammenhalt, Beziehungen und Gruppenbildung. Sie waren gezwungen immer intensiver zu kommunizieren und aus Zeichen wurden Gebärden und aus rudimentären Lauten wurden Wörter mit konkreten Inhalt. Das Gehirn entwickelte sich rasant weiter und bald war es dem Menschen möglich figürliches zu formen und die reale Welt in zweidimensionale Projektionen in Sand und Fels abzubilden. Die Wissenschaft bestätigt, dass sich Musik gleichzeitig mit der Sprachfähigkeit und dem aufrechten Gang entwickelte. Die ersten Instrumente nahmen Form an ( Trommel, Flöte,..) und waren wichtig um die Kommunikation weiter auszuweiten. Gebärden, Wörter, Musik, Tanz, Zusammenleben forderte das Gehirn und trainierte es immer weiter, bis die sprachlichen und kognitiven Fähigkeiten mehr Platz greifen konnten. Die Errungenschaften von Malen, Schnitzen und Musik bildeten die Basis auf der die erste Sprech-Sprache entstehen konnte. Lange glaubte die Wissenschaft, Musik sei ein unbedeutendes Nebenprodukt, weil es keine offensichtliche entwicklungsbiologische Funktion verweist. Heute weiss man aber, dass die Musik wichtige Funktionen inne hatte wie die Stärkung der Bindungsfähigkeit,  die Vermittlung von Sicherheit und Geborgenheit durch Klang und Singen, die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft durch Rhythmik und gemeinsamen Tanz, das gemeinsame Teilen und der gemeinsame Austausch von Gefühlen. Neu betrachtet hatte die Musik plötzlich eine zentrale Bedeutung für das Überleben des Homo sapiens. Und so bildeten sich schon vor tausenden von Jahren, die von der Anthropologie beobachteten Bewusstseinskompetenzen heraus, welche den Homo Sapiens ausmachen:

.) Rationale Weltbegegnung und willentliche Daseinsgestaltung.

.) Schlaf als Regeneration und Grundlage psychischer Verarbeitungsmechanismen 

.) Trance als Basis erweiteter Wahrnehmung und Ressourcensammlung

Diese grundlegenden Bewusstseinszustände sind dem Menschen eigen und  deren Ausgewogenheit ist zentral, für eine natürliche gesunde Entwicklung und ein subjektiv gelingendes Leben. Kein anderes Lebewesen ist in der Lage, seine Körperbewegungen mit einem Rhythmus zu synchronisieren und sich davon mitreißen zu lassen. Der dritte Bewusstseinsseinszustand der Trance ist eng mit den Anfängen des Menschen, mit dem Entstehen eines religiösen Empfindendes im Menschen verknüpft. Dieses religiöse Empfinden beginnt, wo der Mensch sich seiner Sterblichkeit bewusst wurde, und ist durch die Bestattungsrituale weltweit dokumentiert. Gesicherte Funde reichen hier 120 000 Jahre in die Vergangenheit zurück. Die Wissenschaft gibt uns relativ wenig, und nur sehr allgemeine Informationen zu dieser komplexen Thematik. Es ist noch viel zu wenig erforscht, wie wichtig und bedeutend dieser dritte Bewusstseinszustand für die stammesgeschichtliche Entwicklung des Homo Sapiens war. Dieser dritte Bewusstseinszustand ist im Menschen eng verwoben mit dem künstlerischen Ausdruck des Menschen im besonderen Musik, Gesang, Tanz, weiters mit dem im Menschen zugrundeliegenden religiösen Empfinden und drittens dem Thema der Medizin, Heilung und Therapie.    

 

 

Therapiemodell

Eine Beschreibung von Abd El Kerim Al Khahal aus dem 14 Jhdt. fasst zusammen was Musik als Behandlungsform leisten kann:

Musik hat sowohl diätetische als auch therapeutische Funktion. Als Umsetzung des „kosmischen Klanges“ nährt sie die Geistseele des Menschen so, wie die materielle Nahrung den Leib nährt.

Turgut Baba sagt uns: „Alles ist eine Form von Schwingung oder Vibration“. Aus der Physik wissen wir, dass alles (Farben, Töne, etc…) eine Schwingung – eine Frequenz hat. Der musikalische Ausdruck ist eine Form dieser Schwingung. Wird Musik mit der Idee von Harmonie in Melodie und Rhythmik praktiziert, dann hat sie das Potential für Heilung und Therapie eingesetzt zu werden. Die Schönheit in der Musik, die Harmonie ist eine Manifestation einer „letzten Wirklichkeit“. Diese Form der Musik ist ein Geschenk dieser an den Menschen. In diesem Konzept ist die Musik ein Abbild des Klanges vom Urvertrag zwischen dem Menschen und dem Absoluten.

Dieser schöne Klang erinnert den Menschen an seine Herkunft und berührt ihn im Innersten. Es gibt einen Aspekt des „Ewigen“ und des „Perfekten“ in diesem schönen Klang. So wird es möglich Musik als Heilmittel und Therapie für den Menschen zu verwenden und Einfluss zu nehmen auf das körperliche, emotionale und seelische Gleichgewicht des Menschen. 

 

Kranksein – Das Herausfallen aus der Einheit

Im traditionalen Kontext ist Krankheit jenes Phönomen, wenn der Mensch aus der Einheit heraus fällt. Friedrich Weinreb schreibt dazu: „Der Mensch lebt nicht in der körperlichen oder in der seelischen Wirklichkeit, sondern in beiden. Und wenn man eine nicht berücksichtigt oder, wenn man so tut, als ob es nur eine gäbe, so zerbricht man den Menschen. Dann konzipiert man den sich krank fühlenden, den sich unglücklich fühlenden und sich rastlos fühlenden modernen Menschen.“

Weinreb weiter: “ Das Kranksein ist nur dann erschreckend wenn es allein gelassen wird, wenn es getrennt wird vom Heiligen.“ 

So ist der Verlust der Einheit und die Sehnsucht nach ihr ein mythologisches Thema, welches jenseits von Kultur und Religion, weltweit in traditionellen Gesellschaften anzutreffen ist.  Das zugrundeliegende Modell der orientalischen Musiktherapie geht von einem heilen und unzerstörbaren Kern des Menschen aus. Krankheit entsteht, wenn es zu einem Verlust der grundlegenden Harmonie im Leben eines Menschen  kommt. Die im Körper manifest gewordene Disharmonie  kann durch harmonisierende Impulse in den ursprünglich ausgeglichenen Zustand zurückgeführt werden. Avicenna (Ibn Sina)  vertritt die Annahme, dass der Geist als metaphysisches Prinzip die Materie lenkt. Der menschliche Körper ist ein materialisiertes Abbild der menschlichen Seele. So kann durch die Kräftigung der Seele auch die körperliche Natur gestärkt werden. 

In der Hochblüte der islamischen Wissenschaften werden die grundlegenden Maximen für dieses ganzheitliche Therapiesystem geschafften und ausformuliert. Al Farabi (870-950 n.CHR.) schreibt hierzu : “Der Körper ist krank wenn die Seele geschwächt ist und er ist beeinträchtigt, wenn sie beeinträchtigt ist. Daher geschieht die Heilung des Körpers durch die Heilung der Seele, indem ihre Kräfte wieder hergestellt und ihre Substanz in die rechte Ordnung gebracht wird mit Hilfe von Klängen, die dies bewirken können und dafür geeignet sind.“  So wird im therapeutischen Prozess ein Kontakt hergestellt zur „heilen“ Struktur im Menschen, und dies setzt einen Impuls hin zu Harmonie und Gesundung frei. Es ist möglich mit bestimmter Musik die Emotionen eines Menschen zu verändern und dies bildet die Basis für eine Neuorganisation der gesamten Struktur. Prophet  Mohammed sagt in einem Hadith: “Das Exakte gibt es in der Mitte, in der Balance und nicht in den Extremen.“ 

 

.) Musik eignet sich vor allem zur Seelenhygiene und Heilung

.) Musik hat direkt organspezifische Wirkung. Über die Nefs (Seele) wirkt sie auf den Körper

.) Musik wirkt durch die Freude heilsam, die sie im Menschen hervorzurufen vermag.

.) Musik wirkt stärkend auf das Immunsystem

.) Musik wird zur Behandlung von Akutschmerz herangezogen

 

 

 

 

Historischer Überblick

Die orientalische Musiktherapie hat ihre Wurzeln im zentralasiatischen Schamanismus, in der kulturellen Hochblüte des Islam (8.-14. Jhdt.) und in der religiösen Bewegung des Tasavvuf.

 

Zentralasiatischer Schamanismus

Die schamanistische Tradition Zentralasiens und die pentatonische Volksmusik der zentralasiatischen Turkvölker hat einen wichtigen Stellenwert in der orientalischen Musiktherapie. Schon vor der Verbreitung der grossen Religionen wie dem Buddhismus Manichäismus und Islam hatten die Turkvölker Zentralasiens eine geistige Tradition, welche Musik Tanz und Heilung (Therapie) verbunden hat. Diese ursprüngliche Form der Heilung mit künstlerischen Ausdrucksformen kombiniert ist ein weltweites universelles Phänomen und bei fast allen indigenen Gruppierungen zu finden.

Das Weltbild der zentralasiatischen Turkvölker war vom Nomadentum und einer schamanischen Kultur geprägt. Aus dem lebendigen Strom (Ata Ruhu) entnimmt der Schamane seine geistige Kraft und seine Informationen zum Wohle der ganzen Sippe. Deren Ziel war und ist es, im Einklang mit diesem unendlichen Strom zu leben. In der Kultur der Kasachen und Kirgisen wurde der Schamane Bakse oder Kam genannt. Die Gabe zu singen und zu musizieren erhält der Bakse meist erst bei der Initiation zum Schamanen. Das spielen der Instrumente, das Singen und die Weisen der Lieder kommen spontan als Wissen zu diesen auserwählten Menschen. In der Trance, die der Bakse nur mit Musik und Tanz erreicht wird er fähig dem Kranken zu helfen, indem er Informationen über die Ursache und die Behandlung der Krankheit erhält. Wenn Schamanen in Trance geraten imitieren sie die Bewegungen von Tieren und Bewegungen aus der Natur. Schwan, Pferd, Bär und Vögel werden imitiert und in der fortlaufenden Trance entstehen dann informationsgeladene Bewegungen, die unkontrolliert aus dem Bakse hervorquellen.  Hauptinstrumente dieser Kultur sind die Dombra und die Kilkopuz. Als der Islam sich verbreitete und nach Zentralasien kam gab es oft Vermischungen zwischen der Tradition der Bakse und der islamischen Tradition des Sufismus. Die Nachfolger der Bakse-Schamanen waren in der islamischen Zeit dann die Hakims.

In die ´orientalische Musiktherapie´ wurden die Bewegungen aus dem Baske Tanz, die Schamaneninstrumente  Dombra  und Kilkopuz, sowie die pentatonische Musik der Turkvölker Zentralasiens aufgenommen.

 

 

 

 

 

 

 

Hochblüte der islamischen Wissenschaften, Künste und Religion (8. – 14. Jhdt.)  

In der Hochblüte des Islams im 12 Jhdt. reichten die Grenzen des Reiches von Samarkand bis Damaskus, von Kairo bis Fes und Cordoba; immer mehr Menschen wurden Muslime, immer mehr Kulturen fanden Eingang in den Islam. In einem historischen Überblick können wir heute erkennen, dass das islamische Reich eine Brücke darstellte zwischen der griechischen Kultur der Antike und der Renaissance. In einer Zeit wo die westliche Welt in der Barbarei versank erreichte die islamische Welt ihre Hochblüte. Das wichtigste Erbe aus dieser Zeit sind die Übersetzungen aus dem Griechischen ins Arabische und später dann am Ende der islamischen Herrschaft ins Lateinische. Die Mehrzahl der griechischen Schriften hätten nicht überlebt und die westliche Welt nie erreicht, wenn es diese Brücke nicht gegeben hätte. Als Hauptfigur ist hier ein Kalif aus Bagdad zu nennen, Almamun ( 9 Jhdt.). Aufgrund eines Traumes gründete Almamun das „ Haus der Weisheit“. Dieses Haus war vielleicht eines der wenigen wirklich multikulturellen Häuser die es je in der Geschichte gegeben hatte. Das Besondere war, dass Weisheit und Politik an einem Strang zogen und so war es möglich ein derartig gewaltiges Projekt umzusetzen. Hunderte Übersetzer aus allen Teilen des Reiches – Juden, Christen, Perser, Araber, etc. wurden mobilisiert und das gesamte griechische Erbe ( Schriften der Philosophie, der Medizin, der Astronomie  von Platon bis Galen ) wurden übersetzt.  Zusätzlich wurden auch Schriften aus dem Sanskrit und dem Persischen übersetzt. Das Haus der Weisheit war eine besondere Vereinigung und leistete der Menschheit einen außergewöhnlichen Dienst und konnte drei Jahrhunderte trotz fundamentalistischer Gegenströmungen  aufrecht erhalten werden. Hier, wo die Geschichte der islamischen Naturwissenschaft und Philosophie beginnt, beginnt auch die Geschichte der orientalischen Verwendung von Musik als Hilfsdisziplin der Medizin. Bekannte  Namen in diesem Zusammenhang  waren Al Kindi, Al Farabi, Al Razi, Averroes, Ibn Tufail und Ibn Sina ( Avicenna). Viele dieser Gelehrten waren Universalgelehrte, ausgebildet in Philosophie, Astronomie, Astrologie, Mathematik, Musik und Medizin. Sie nahmen die Erkenntnisse und Schriften der griechischen Gelehrten auf, integrieren diese und führten sie dann mit ihren eigenen  Gedanken und Glaubensvorstellungen weiter. Es war der Versuch philosophische und religiöse Erkenntnis in Einklang zu bringen und zu versöhnen.

 

 

 

 

 

 

Musiktherapie in den Spitälern des Orients

Musiktherapie war eine Hilfsdisziplin der Medizin und kam in Spitälern und Psychiatrien zum Einsatz.  Ab dem 9/10 Jahrhundert lässt sich das Musizieren am Krankenbett im gesamten zentralasiatisch-türkischen Bereich nachweisen. Die Idee des Hospitals erwuchs im christlich-islamischen Raum aus dem religiösen Gebot der Fürsorge für Hilfsbedürftige. Am Anfang stand meist die Stiftung (Vakif) sodass die Krankenhäuser auf Spendenbasis finanziert und erhalten werden konnten. Und so wurde auch meist die kostenlose Behandlung der Patienten gesichert. Oft waren diese Hospitäler ganze Gebäudekomplexe, wie kleine Dorfeinheiten. Ein solcher Baukomplex umfasste eine Mosche, ein Medrese (Koranschule), eine Karawanserei für Reisende, eine Armenküche, ein Hospital, ein Witwen- und Waisenhaus und ein Hankar (Kloster).  In diesen Hospitälern gab es für die Patienten auch Therapie mit Musik. Musiktherapiespitäler gab es in Damaskus, Sivas, Kayseri, Bursa und Edirne. Der türkische Reisende Evliye Celebi (1614-1682) der das Spital in Edirne besuchte gibt uns einen Augenzeugenbericht aus dieser Zeit: “Arme und Reiche, Junge und Alte liegen mit den verschiedensten Krankheiten in diesem Spital. Je nach Krankheit erhalten die Patienten eine Diät und im Winter werden die Zimmer beheizt. Seine Majestät der Sultan Bayezid hat in einer Stiftungsurkunde bestimmt, dass 10 Musiker angestellt werden, die drei mal in der Woche Musik spielen für die Klienten.: drei Sänger, ein Neyzen (Rohrflöte), ein Fidelspieler (Kemani), ein Panflötenspieler, ein Hackbrettspieler (Santur), ein Harfinist (Cengi) und ein Lautenist (Oud). Nach den Willen des Allmächtigen findet ein beträchtlicher Teil von ihnen durch die Töne Beruhigung. Werden die Tonarten Zengüle und Buselik gespielt und mit der Tonart Rast abgeschlossen, so ist es , als ob sie ein neues Leben brächten. In allen Instrumenten und Makamen liegt Nahrung für die Seele.“

Im Innenhof des Spitals in Edirne war ein Brunnen, der durch sein sanftes Wassergeplätscher die heilsame Wirkung der Musik noch unterstützte. Neben den Ärtzen und Musikern gab es noch Geschichtenerzähler für die Patienten. Çelebi schreibt weiter, dass die Therapie mit herrlich duftenden und schönen Blumen unterstützt wurde: „Vor allem im Frühling geben sie den Patienten schön duftende Blumen wie Jasmin, Nelken, Tulpen, Rosen und heilen so, begleitet von passender Musik, die Patienten.“

Auf der Grundlage vorangegangener Pulsdiagnose wählte man die entsprechenden Makamen (Tonarten), die in den meisten Fällen für Linderung der Schmerzen sorgte. Das orientalische Tonarten System, (das Makam-System) bildete die Grundlage für diese Form der Musiktherapie. Das Makam-System ist ein microtonales System, welches ca. 400 verschiedene Tonarten hervorbringt, wobei aber nur ein Bruchteil davon in der Therapie verwendet wurden und in die Literatur Eingang gefunden haben. Makamen haben Zuordnungen zu Tageszeiten, Tierkreiszeichen, Wochentagen, Körperregionen, organspezifische Zuordnungen und emotionalen Zuständen. Der islamische Philosoph Al-Farabi (*870-950) fasste in seinem Werk „Musikiul-kebir“ einige Makame und deren Wirkungen auf den Menschen wie folgt zusammen: „Der Rast-Makam erfreut den Menschen und gibt ihm Zufriedenheit, der İsfahan-Makam schenkt dem Menschen Beweglichkeit und Selbstvertrauen. Segah beruhigt und fördert den Schlaf – der Neva-Makam gibt Appetit und Gelassenheit. Der Uşşak-Makam (einer der ältesten Makame) lässt den Menschen lachen und die Seele zutiefst erfreuen. Zengüle fördert den Schlaf. Saba-Makamı gibt Kraft, und der Hüseyni-Makamı schenkt dem Menschen Zufriedenheit, Wohlsein und Vollkommenheit.“ 

Das Makam-System, ihre körperlichen und emotionalen Zuordnungen, ihre astrologischen und zeitlichen Zuordnungen wurden studiert, zusammengefasst und als passive Musiktherapie in die traditionale orientalische Musiktherapie übernommen – und werden seit über 30 Jahre praktisch verifiziert.  Die Idee des fliessenden Wassers in den Hospitälern des Orients wurde abgewandelt in die orientalische Musiktherapie aufgenommen. Auch das ganzheitliche Menschen- und Weltbild hat man als Grundlage für die moderne Form der orientalischen Musiktherapie verwendet.

 

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Tradition des Tasavvuf

Tasavvuf (der islamische Sufismus) gründet sich in den Anfängen des Propheten Mohammed und kann als inneres Wissen (hikmet) , als Mystik des Islam bezeichnet werden. In vielen Tarikats (Ordensgemeinschaften) hat der künstlerische Ausdruck, Musik und Tanz eine wichtigeRolle inne. In den mystischen Zeremonien der drehenden Derwische ist Musik das Symbol der göttlichen Stimme, welche die Seelen zu Leben und Tanz bewegt. So wird das Leben selbst zu Musik und Tanz. Die religiösen Lieder (ilahis), welche die rituellen Gebete und Zusammenkünfte der Derwische begleiten, haben eine eigene Musikgattung hervorgebracht. Aber auch Künste wie die Kalligraphie, Tezhip (Ornamentik), Ebru (Marmorieren) und  Architektur (zb.: die osmanische Architektur der Bektashi Schreine) sind tief in der Tasavvuf Kultur verankert.

 

Der grosse Mystiker Ibn Arabi schreibt „Liebe ist die Bewegung von Schönheit.“ Der künstlerische Ausdruck ist die Methode, dass Unfassbare fassbar zu machen, die Unendlichkeit in der Endlichkeit zu holen. Der Mensch selbst ist ein Kunstwerk, der in der Nachahmung der kreativen Kräfte seine eigene Natur realisiert. Es gibt ein Hadith in dem Prophet Mohammed sagt „ Gott ist schön und liebt das Schöne“. Kunst hat das Potential die göttliche Wahrheit zu manifestieren. Tanz, Musik, und künstlerischer Ausdruck bieten eine Methode des spirituellen Wachstums. – für die Sufis traditionelle Methoden die Triebseele (Nefs) des Menschen zu entwickeln.  Die religiöse Ilahi Musik, die Mevlevi Instrumente Ney und Rebab,  die Definition des Menschen als Brücke zwischen Himmel und Erde und das tiefe Wissen des islamischen Tasavvuf haben Eingang gefunden in das Therapiemodell der traditionellen orientalischen Musiktherapie.

Praxis:

Musiktherapie

Integration traditioneller Therapiemethodik in moderne Settings.

OM-Musiktherapie
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